Kulturraum NRW


Die Videonale 16 – Videokunst im Kunstmuseum Bonn

Aus Vergnügungsparks und Seniorenheimen

Der Kurzfilm „Le Park“ der marokkanischen Künstlerin Randa Maroufi gewinnt den Preis der Videonale 16. Diese und die rund 40 weiteren Arbeiten des Wettbewerbs sind noch bis 2. April 2017 in Bonn zu sehen.

Filmstill. Randa Maroufi: Le Park, 2015. 14:00 Min. Courtesy of the artist and Le Fresnoy. Image © Randa Maroufi and VG Bild-Kunst, Bonn

Randa Maroufi: Le Park, 2015. 14:00 Min. Courtesy of the artist and Le Fresnoy. Image © Randa Maroufi and VG Bild-Kunst, Bonn

Seit 1984 gibt es die Videonale in Bonn, seit 2005 bespielt das internationale Videokunstfestival alle zwei Jahre die Räumlichkeiten des dortigen Kunstmuseums.

Über 2.300 Einsendungen sollen es heuer gewesen sein, die auf die Ausschreibung des „Festivals für Video und zeitbasierte Kunstformen“ hin eingegangen sind – mehr als in den Vorauflagen [Rückblick auf die Videonale 15 und die Videonale 14]. Die thematische Vorgabe, „Perform!“, verband sich dabei mit einer Öffnung des Festivals über die Videokunst hinaus für Arbeiten aus den Bereichen Live Performance und Virtual Reality. Eine Auswahl von 42 Einsendungen sind im Kunstmuseum ausgestellt.

Darunter hat die fünfköpfige Jury der Videonale Randa Maroufis (*1987 in Casablanca) Le Park (2015, 14 min.) als preiswürdig ausgemacht und mit dem „Videonale Preis der fluentum Collection 2017“ ausgezeichnet. Kann man machen. Der Film hat bereits 2015 den Videopreis der ADAGP abgeräumt – die ADAGP ist so etwas wie die französische VG Bild-Kunst.

Maroufi inszeniert in ruhigen, spannungsreichen, teilweise zum Tableau stillgestellten Bildern eine Gruppe randständiger Jugendlicher, die in einem aufgelassenen Freizeitpark in Casablanca abhängt, Kleinkriminalität, Gewalt und Social Media Selbstentwurf inklusive [ Online: Trailer Le Park ].

Jenseits der Preisträgerin

Und sonst? Wollte man jede der im Kunstmuseum ausgestellten Videoarbeiten zur Gänze angucken, bräuchte es mehr als 8 Stunden. Welche Arbeiten sind besonders auffällig?

Die – mit großem Vorsprung – witzigste Arbeit ist schon was älter: In Down to Earth (2014, 4 min.) lässt Anna Vasof (*1985 in Prag) 27 skurrile Schuhapparaturen über die Spielfläche klackern, enhanced Schuhpaare, mit denen man u.a. Pfannkuchen im Gehen wenden kann, oder die als Fußbewässerungsanlage funktionieren, oder die mit Magnet und Kompass die Himmelsrichtung bei jedem Schritt ändern [ das ganze Video online: Down to Earth ].

Sehr intensiv ist Miriam Bajtalas Halbstünder Sofern Real (2015, 30 min.), in der die slovakisch-österreichische Künstlerin (*1970 in Bratislava) vier Schauspieler und eine Performerin die alternative Welt- und Selbstwahrnehmung von psychisch Kranken nachzeichnet [ Online: Trailer Sofern Real ].

Ebenso poetisch wie sinnlich und etwas rätselhaft ist das Zweikanalvideo Im Nebensinn von Dagmar und Doris (2015, 6½ min.) des Schweizer Duo Jasmin Bigler und Nicole Weibel (*1993/1990 in Bern bzw. Niederhünigen), das in 19 Sequenzen Alltagsobjekte und Alltagshandlungen von Tänzerinnen ins Nebensinnliche verrückt.

Lotte Meret Effinger (*1985 in Berlin) zeigt unterdessen in Surface Glace (2015, 8 min.) was sich mit hochauflösenden Makrobildern und extremer Zeitlupe zu hypnotisierendem Soundtrack anfangen lässt: Körperlandschaften, die von zähen, schwarzen und beigen Flüssigkeiten eingenommen werden. Visuell aufregend, etwas erotisch und leicht irritierend [ Online: Ausschnitte aus Surface Glaze ].

Dokumentarische Nahaufnahmen

Filmstill. Teboho Edkins: Initiation, 2016. Einkanalvideo, 10:47 Min. Courtesy: Kai Middendorff Galerie. Abbildung © Teboho Edkins

Teboho Edkins: Initiation, 2016. Einkanalvideo, 10:47 Min. Courtesy: Kai Middendorff Galerie. Abbildung © Teboho Edkins

Unter den vielen dokumentarischen oder semidokumentarischen Arbeiten sind zwei Arbeiten besonders auffällig.

Teboho Edkins’ (*1980 in Tennessee) Kurzfilm Initiation (2016, 11 min.) zeigt Bilder von jungen Männern in Lesotho, die von einem Initiationsritual zurückkehren [ Online: Ausschnitt aus Initiation ].

Erik Levine (*1960 in Los Angeles) portraitiert in Still Lifes (2016, 28 min.) Bewohner argentinischer Seniorenheime. Lange, schmerzhaft nahe Stillleben aus dem Alltag: Essen, Schlafen, Frisieren, die mühsamen Gänge, das Fernsehen und immer wieder das Warten. Gegen die Stillleben ist der Lärm des Soundtracks gesetzt mit dem Dröhnen der Fernseher und der musikalischen Veranstaltungen des Freizeitprogramms [ das ganze Video online: Still Lifes ].

Filmstill. Erik Levine: Still Lifes, 2016. Einkanalvideo, 27:40 Min. Courtesy: Der Künstler. Abbildung © Erik Levine

Erik Levine: Still Lifes, 2016. Einkanalvideo, 27:40 Min. Courtesy: Der Künstler. Abbildung © Erik Levine

Der Katalog

Der Katalog zur Videonale ist für 21,90 Euro zu haben und liefert auf 145 Seiten in deutscher und englischer Sprache – neben einem kurzen Essay zum Sachstand der Performance-Kunst – handliche Informationen und Stills zu den einzelnen Arbeiten. Mehr als bedauerlich aber: Anders als bei der letzten Auflage der Videonale liegt keine DVD mit den Videoarbeiten anbei. Ab April sollen die allerdings im Netz zugänglich sein: archiv.videonale.org.

Videonale.16 – Festival für Video und zeitbasierte Kunstformen. KL: Tasja Langenbach. Bonn, Kunstmuseum, 17. Februar – 2. April 2017.