Kulturraum NRW


Uwe Johnson, Anna Grass, Günter Grass: Der Briefwechsel

Lieber Günter, liebe Anna, lieber Uwe,

Arno Barnert hat bei Suhrkamp den Briefwechsel zwischen Johnson und den Eheleuten Grass herausgegeben, umsichtig kommentiert und reichhaltig um Bild- und Textmaterialien ergänzt.

ich fürchte, auf großes Interesse treffen wird dieses Buch wohl eher nur bei Facharbeitern und Lehrlingen der neueren deutschen Literatur und bei enthusiastischen Lesern von Uwe Johnson und Günter Grass (davon mag ich mich nun nicht freisprechen): der jetzt von Arno Barnert bei Suhrkamp herausgegebene Briefwechsel zwischen Johnson und den Eheleuten Grass.

Günter Grass auf der Frankfurter Buchmesse, 2004. Rechte: Florian K., GNU FDL 1.2, Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/Image:Grass.JPG.Im Herbst 1959 lernen sich die beiden sehr ungleichen Schriftsteller kennen, auf der Frankfurter Buchmesse. Im gleichen Jahr hatte die Veröffentlichung von Johnsons Mutmaßungen über Jakob und Grass‘ Blechtrommel die deutsche Literatur aufgemischt. Das ist der Anfang einer lebenslangen, wenngleich nicht immer ungetrübten gegenseitigen Wertschätzung und einer nur zeitweiligen Freundschaft: „unsere Freundschaft scheiterte an mangelndem Vertrauen. Dieser Verlust wird mich nicht hindern, weiterhin Dich in Deinen Büchern zu schätzen“, so Grass an Johnson im Juni 1971.

Oft herzlich im Ton, schon früh aber auch von Irritationen beschattet, erlauben diese Briefe aus den Jahren 1961 bis 1984 keinen Einblick in die jeweilige literarische Werkstatt, sehr wohl aber in ein schwieriges persönliches Verhältnis und in den literarischen Betrieb der Zeit. Aus 1962/63 sind Absprachen nachzulesen über letztendlich gescheiterte Pläne, eine internationale Literaturzeitschrift herauszugeben. 1965 gilt es, eine Bücherspende für Bundeswehrbibliotheken abzustimmen; Johnson erstellt eine Bücherliste, die auch heute noch weitgehend als Einkaufszettel für eine anständige Basisbibliothek dienen kann.

Die meisten Briefe aber stammen aus den Jahren 1966 bis 1968. Die Johnsons leben in New York, wo Uwe als Lektor arbeitet und dann als Stipendiat anfängt, an seinem Jahrhundertroman zu arbeiten, den Jahrestagen. Die Eheleute Grass sind im Frühjahr 1966 zu Besuch und Anna Grass bleibt für einige Wochen in New York, wo sie häufig Zeit mit Johnson verbringt. Die leichtfüßige, zuweilen übermütige Korrespondenz zwischen den beiden in den folgenden zwei Jahren ist das charmante Herzstück des Bandes.

Unterdessen sind Grassens die Sachwalter der Berliner Angelegenheiten Johnsons. Das ist auch nötig, denn, neben Problemen mit der Telefonversorgung durch die Deutsche Post, gilt es, den Auszug der Kommune I zu überwachen aus der besetzten Berliner Wohnung Johnsons und seinem Atelier, das direkt neben Grass‘ Haus in der Friedenauer Niedstraße liegt. Von hier aus hatten die Enzenbergers, Kunzelmann, Langhans, Teufel, ihren Frontalangriff auf den US-Imperialismus in Gestalt Hubert Humphreys geplant und „den Stellvertreter des Präsidenten mit Bomben aus Puddingpulver erledigen“ wollen (Jahrestage). Andererseits besorgt Johnson in New York Ersatz für Grass‘ Hut, der ihm auf einer studentischen Diskussionsveranstaltung geklaut worden war.

Das sind so Geschichten mit denen bald Schluss ist. Nach der Rückkehr Johnsons nach Europa werden nur noch wenige Briefe geschrieben, nicht nur wegen der räumlichen Nähe, man zerstreitet sich über Politisches. Zuletzt (Januar 1984) eine Postkarte mit Glückwünschen zur polnischen Veröffentlichung der Blechtrommel. Sechs Wochen später ist Johnson tot und so behält Grass rückblickend das letzte Wort über eine Freundschaft, die „aus Distanz, heftiger Nähe, neuem Fremdsein und Fremdbleiben“ bestand (Abschied von Uwe Johnson, 1984).

Arno Barnert hat die Briefe umsichtig kommentiert und um Bild- und Textmaterialien ergänzt.

Uwe Johnson, Anna Grass, Günter Grass: Der Briefwechsel. Hg. v. Arno Barnert. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 2007. 232 S. 22,80 €.