Kulturraum NRW


Llyn Foulkes – Ausstellung im Museum Kurhaus Kleve

Mickey's Machine and The Bloody Heads

Noch bis Anfang März 2014 ist im hübschen Museum Kurhaus in Kleve, erstmals in Europa, eine umfassende Retrospektive auf das Werk des amerikanischen Künstlers und Musikers Llyn Foulkes zu sehen. Uneingeschränkt empfehlens­wert.

Llyn Foulkes, Pop, 1985 - 1990. Mixed media mit Soundtrack / 213,4 x 312,4 x 7,6 cm. The Museum of Contemporary Art, Los Angeles. Purchased with funds provided by the Graham Trust and the Acquisition and Collection Committee. Rechte: Llyn Foulkes, Museum of Contemporary Art, Los Angeles.Llyn Foulkes, Pop, 1985 – 1990. Mixed media mit Soundtrack / 213,4 x 312,4 x 7,6 cm. The Museum of Contemporary Art, Los Angeles. Purchased with funds provided by the Graham Trust and the Acquisition and Collection Committee. Rechte: Llyn Foulkes, Museum of Contemporary Art, Los Angeles.

Llyn Foulkes, Jahrgang 1934, lebt in Los Angeles, macht seit den 50er Jahren seine Kunst und Musik, ebenso eigenwillig wie streitbar. Er gehört nicht zu den etablierten Weltstars der Westküstenkunst (John Baldessari, Ed Ruscha, Bruce Nauman, David Hockney usw.), dafür gab es in seiner Karriere zu viele Brüche, zu viel Eigensinn auch. In Paris sammelte er 1967 einen Preis bei der Biennale ein, aber die ganz große Aufmerksamkeit in Europa hat er erst jüngst mit seiner Teilnahme an der Documenta 13 eingefahren.

Das 1997 als Museum für moderne Kunst neu eröffnete, ehemalige Kurhaus in Kleve – sehr hübsch, sehr sympathisch und wohltuend großzügig in seinen Räumlichkeiten – hat jetzt zehn Räume freigemacht für eine ganz ausgezeichnet bestückte Schau mit knapp 100 Werken von Foulkes aus rund 50 Jahren. Das Museum Kurhaus setzt damit eine bemerkenswerte Serie von Einzelausstellungen amerikanischer Gegenwartskunst fort (zuletzt Carl Andre, 2011, und Alex Katz, 2009). Konzipiert wurde die Schau vom Hammer Museum in Los Angeles, Kleve ist (nach Los Angeles und New York) die dritte und letzte Station und die einzige in Europa.

Rock Paintings und Bloody Heads

Die weitgehend chronologisch strukturierte Schau setzt ein mit Arbeiten auf Papier aus den 50er Jahren, darunter sehr lustige Karikaturen. Dann düstere Arbeiten aus den 60er Jahren, Öl und Assemblagen, gerne als Triptychon, die auch Erfahrungen aus Foulkes‘ Militärzeit in Nachkriegsdeutschland verarbeiten. Ein kommerzieller Erfolg sind Ende der 60er Jahre monochrome Monumentalgemälde von Felsstrukturen, etwas dekorativ.

Llyn Foulkes, Lucky Adam, 1985. Mixed media / 127 x 88,9 x 10,2 cm. Hammer Museum, Los Angeles. Purchase. Rechte: Llyn Foulkes, Hammer Museum, Los Angeles.Llyn Foulkes, Lucky Adam, 1985. Mixed media / 127 x 88,9 x 10,2 cm. Hammer Museum, Los Angeles. Purchase. Rechte: Llyn Foulkes, Hammer Museum, Los Angeles.Davon hatte er bald genug und macht fortan die „Bloody Heads“, mal satirisch-karikierende, mal grimmig-schockierende Portraits, wieder mit Assemblage­elementen, den Rahmen mit einbeziehend oder sprengend, Gesichter, die blutüberströmt, entstellt, überklebt sind. Ronald Reagan zum Beispiel ist eine Maske aufgesetzt und ein Balken Holz durch die Augen getrieben (The Golden Ruler, 1985). In Lucky Adam (1985) portraitiert Foulkes seinen Schwieger­vater, einen Oberst der Air Force, auch dessen Gesicht ist blutgetränkt, die Hutschnur hält einen Luftpostbrief auf der Stirn, Lady Liberty winkt anbei. So macht man sich Freunde. Ärger macht auch Double Trouble (1991), der Waffennarr langt mit seiner Knarre über den Bildrahmen hinweg, ein toter Fötus ist ihm in den Mund gelegt.

Pop und The Lost Frontier

Zu Foulkes‘ beeindruckendsten Werken gehören dioramahafte Szenerien, an denen er seit den 80er Jahren arbeitet, zwei von ihnen waren hierzulande bereits 2012 auf der Documenta zu sehen.

Nehmen wir Pop (1985-90): Eine Szene aus der Vorabendhölle, ein Wohnzimmer, Vater Foulkes im Superdad-T-Shirt und im Fernsehsessel, in der Hand die eisgekühlte Diätkola. Was ihm die entsetzten Augen aus den Höhlen treibt? Aus dem Fernseher tönt „America the beautiful“, an den Wänden hängt ein Kalender, der an den 6. August 45 erinnert, auf der anderen Seite des Fensters ein Bildchen der Hollywood Hills. Sohnemann mit Walkman hält ein Schreibheft, in Kinderschrift darin der Schwur des Mickey Mouse Clubs: „Ich werde zu Hause, in der Schule und auf dem Spielplatz ein anständiger Junge sein. Ich werde ein guter Amerikaner sein.“

Die ungeheure Intensität dieser Szenerie liegt nicht in der inhaltich etwas schlichten Montage ideologiekritischer Standards, sondern in der Mache des Tableaus: Malerei und Assemblage von Alltagsgegenständen sowie von Stoffen (die Lampen, der Walkman, die Stoffe des Sessels und der väterlichen Jeans, die Holzverkleidungen des Hintergrunds) sind bruchlos zu einem Hochrelief verwoben. Das macht eine sehr unmittelbar reale und zugleich irritierend fremdartige Atmosphäre.

Llyn Foulkes, The Lost Frontier, 1997-2005. Mischtechnik / 221 x 243,8 x 20,3 cm. Hammer Museum, Los Angeles, erworben mit Mitteln von Erika Glazer, Susan Steinhauser und Daniel Greenberg / The Greenberg Foundation, Amy Adelson und Dean Valentine, Linda und Jerry Janger, Kadima Foundation, Heidi und Erik Murkoff, Susan Bay Nimoy und Leonard Nimoy sowie Joel Portnoy (Photo: Randel Urbauer). Rechte: Llyn Foulkes, Hammer Museum Los Angeles, Randel Urbauer.Llyn Foulkes, The Lost Frontier, 1997-2005. Mischtechnik / 221 x 243,8 x 20,3 cm. Hammer Museum, Los Angeles, erworben mit Mitteln von Erika Glazer, Susan Steinhauser und Daniel Greenberg / The Greenberg Foundation, Amy Adelson und Dean Valentine, Linda und Jerry Janger, Kadima Foundation, Heidi und Erik Murkoff, Susan Bay Nimoy und Leonard Nimoy sowie Joel Portnoy (Photo: Randel Urbauer). Rechte: Llyn Foulkes, Hammer Museum Los Angeles, Randel Urbauer.Als Meisterstück dieser Technik zeigt die Klever Ausstellung (neben dem sehr anrührenden Schlafzimmerdrama The Awakening, 1994-2012) auch The Lost Frontier, 1997-2005:

Im Hintergrund unter dem schmutzig braunen Himmel liegt Los Angeles, auf einem Freeway ziehen Spielzeuglaster vorbei. Im Mittelgrund die monströsen Müllberge der Großstadt, im Vordergrund die Überreste der Zivilisation – nach dem Drama, das Pop vorbereitet hat. Über die dystopische Szenerie wacht eine Pionierin mit Mickey Mouse Kopf, die Maschinenpistole in den Händen. Was in der Mikrowelle gart, weiß ich nicht, eine verweste Katze liegt im Felsspalt. Das Diorama ist nur wenige Zentimeter tief, lässt aber in eine schwindelerregende Weite blicken.

„Music is my joy, painting is my angst“

Die zweite Karriere des Llyn Foulkes ist die Musik. Schlagzeuger war er bei den City Lights und der Rubber Band, immer einen Gig vor dem großen Durchbruch. Seit 1979 baut er an seiner Machine, einem feuerwehrroten Fliwatüüt aus Drums, Auto- und Fahrrad-Hupen, Kuhglocken, Pfeifen, Xylophonen, einem einsaitigen E-Bass usw., mit dem er als one man band auftritt. Das muss man gesehen und gehört haben, in Kleve gibt es allerdings dazu nur ein einstündiges Konzertvideo, viel zu leise zudem, um das anständig zu hören. Da hilft das Hammer Museum weiter, das das Ding online gestellt hat.

Schriftliches

Für 35 Euro bekommt man den englischsprachigen Katalog aus dem Hammer Museum Los Angeles mit tauglichen Abbildungen (wenngleich natürlich die ungeheure Präsenz der dreidimensionalen Arbeiten nicht über die Abbildungen vermittelt werden kann) und einem biographischen Essay (als Booklet ist eine deutsche Übersetzung beigefügt, das Booklet gibt’s zum Schnäppchenpreis von 3 Euro auch getrennt zu haben).

Llyn Foulkes. K: Ali Subotnick. Kleve, Museum Kurhaus, 8. Dezember 2013 – 2. März 2014.