Kulturraum NRW


George Grosz in der Akademie der Künste, Berlin

Grosz montiert

Die Akademie der Künste zeigt in einer sehr hübschen und sympathisch unprätentiösen Ausstellung bis Anfang April 2010 Archivalien des wichtigsten Zeichners und Karikaturisten der Weimarer Republik: George Grosz (1893-1959).

Vier Räume hat die Akademie am Pariser Platz ihrem peinlich spät, nämlich erst 1958 berufenen außerordentlichen Mitglied jetzt auf Zeit eingerichtet. Sie zeigt Zeichnungen, Skizzenbücher, Collagen, Druckwerke des Künstlers sowie Photographien und Schriftdokumente, die allesamt zum Bestand des Archivs der Akademie gehören.

Im ersten Raum hat es Fotos auf Lichtkästen gezogen. Dazu zeigt ein – für die nicht geringe Zahl der Besucher allerdings viel zu kleiner – Monitor Dokumentarisches. Auf eine Wand sind Ausrisse aus lyrischen Versuchen Grosz‘ aufgetragen. Das macht den Anfang mit dem Kennfaden, den die Kuratorin Birgit Möckel durch die Ausstellung gezogen hat: die Collage oder Montage als Technik und Gestaltungsprinzip im Werk von George Grosz, von seinen Arbeiten als Berliner Propagandada über die Agitprop-Collagen, die Grosz mit und ohne John Heartfield in den zwanziger Jahren geklebt hat, hin zu konsumkritischen Collagen aus dem amerikanischen Exil der vierziger und fünfziger Jahre.

Maul halten und weiter dienen!

Der zweite Raum zeigt Zeichnungen des Meisters, darunter zwei seiner bekanntesten: Christus mit Gasmaske (1927), für deren Druck mit dem Motto „Maul halten und weiter dienen!“ Grosz und sein Verleger Herzfelde nach dreijährigem Rechtsstreit wg. Gotteslästerung erstaunlicherweise einen Freispruch kassierten – und die wunderbare Friedrichstraße (1918), die, obwohl reine Feder- und Tuschzeichnung, der These von der Montage als Gestaltungsprinzip einige Plausibilität verschafft. Da ist eine Menge futuristischer Simultanität und Dynamik und montageartige Verdichtung drin, allerdings – anders als bei den Futuristen – zentriert um das menschliche Bestiarium, das sich die Großstadt hält.

Das Herzstück der Ausstellung ist der dritte Raum, der die Exponate in langen Reihen verglaster Holzschaukästen präsentiert und so den Archivcharakter der Sammlung reflektiert. Dazu zählen auch mehr als zweihundert Skizzenbücher verschiedener Formate, die George Grosz zwischen 1905 (als Zwölfjähriger) und 1958 (ein Jahr vor seinem Tod) für Momentaufnahmen und Entwürfe genutzt hat. Die Ausstellung zeigt, wenn ich richtig gezählt habe, etwas mehr als die Hälfte davon, was den Ausstellungsmachern als Zentrum der Ausstellung gilt, was jetzt aber nicht so viel bringt, weil die Umschläge sind so spannend nun nicht und nur wenige der Büchlein sind aufgeschlagen. Immerhin sind Scans der Skizzen aus dreien (von 1915, 1933 und 1952) auf einem Bildschirm als Endlosfilm zu sehen.

Prof. G.E. Grosz pinxit

Die spannensten Exponate aber sind aus einer Serie von Postkarten, die Grosz in den fünfziger Jahren vor allem an seinen Schwager und Freund Otto Schmalhausen nach Berlin schickt: Sehr witzige Kleinigkeiten das, collagierte oder übermalte Kunstpostkarten, mit denen Grosz alte und neue Meister ironisiert und sich besonders über den abstrakten Expressionismus lustig macht (trotzig mit „Prof. G.E. Grosz pinxit“ gezeichnet), letzteres auch in Reaktion auf den – aus seiner Sicht – mangelnden Erfolg, den die gegenständliche Kunst des Kunstdozenten aus Berlin (als solcher arbeitet Grosz seit 1932 in New York) in den USA einfährt.

Den Abschluss machen 23 Portraitstudien, die Grosz Mitte der zwanziger Jahre in Vorbereitung auf seine zwei Ölportraits des Schriftstellers Max Herrmann-Neisse zeichnete. Sie sind erst 1984 zusammen mit Briefen und Jugendzeichnungen im Kohlenkeller eines Hauses der Familie Schmalhausen am Savignyplatz wieder aufgefunden und ins Archiv übernommen worden. Etwas Schade ist, dass man auch hier auf Leihgaben verzichtet hat und keins der beiden Ölportraits zu sehen ist. Grundsätzlich würde das ein oder andere exemplarische Gemälde der Ausstellung sehr gut tun.

Ein kleines, aber taugliches Begleitbuch mit dem Titel „George Grosz montiert“ ist für 17 Euro zu haben (kein klassischer Katalog).

George Grosz. Korrekt und anarchisch. K: Birgit Möckel. Berlin, Akademie der Künste. 24. Januar – 5. April 2010.