Kulturraum NRW


Lithographien von Daumier im Kölner Kollwitz Museum

Von Birnen und Bürgern

Unter dem Titel Provocation & Finesse zeigt das Käthe Kollwitz Museum in Köln bis Anfang April rund 100 Lithographien und einige Kleinskulpturen des französischen Großmeisters der Karikatur: Honoré Daumier.

Da steht ein reichlich suspekt aussehender Mann auf einem Podest über dem Marktplatz, hält der tumb gaffenden Menge Papiere entgegen, Papiere, die werthaltig zu sein vorgeben, und der Mann schwingt Reden:

Meine Herren, meine Damen! Die Silberminen, die Goldminen und die Diamantminen sind nichts als Gemüseeintopf im Vergleich zu meiner Steinkohle […] Meine Aktien, verehrte Herren, verkaufe ich nicht, ich verschenke sie für lumpige 200 Francs. Sie bekommen zwei für eine, dazu gebe ich noch eine Nadel und ein Nadelöhr und noch Ohrenstäbchen – und obendrein meinen Segen […].

Des Redners fleckige Hose wird von Trägern nur notdürftig daran gehindert, vom Schmerbauch abzugleiten, ein Brusttuch verdeckt nach Banditenart beinahe seinen Mund und auf dem Kopf trägt er eine Mütze, die schlaftauglich sein mag. Unterhalb schlägt jemand die Werbetrommel. Wir leben heute in glücklicheren Zeiten, in denen die Finanzaufsicht uns vor solchen Scharlatanen verlässlich schützt. Nicht so Mitte des 19. Jahrhunderts, damals gab es in Frankreich einen Wertpapierskandal, den der Zeichner hier karikiert hat (Messieurs et Dames, 1836).

Rund 4.000 solcher Lithographien hat der unermüdliche Spötter Daumier (1808-1879) mit spitzer Kreide gezeichnet, die meisten für die tagesaktuelle Publikation in den satirischen Zeitungen „La Caricature“ und „Le Charivari“. Einhundert davon hat das Schleswig-Holsteinische Landesmuseum für eine Ausstellung zum 200. Geburtstag des Zeichners und Malers im letzten Jahr zusammen getragen. Sie sind jetzt in Köln zu bewundern (wirklich zu bewundern), bevor sie im Frühjahr in der Münchener Villa Stuck zu sehen sein werden.

Les bons bourgeois

Zwischen der Julirevolution 1830 (Un héros de juillet, 1831) und den frühen 1870er Jahren, mit der Katastrophe des deutsch-französischen Krieges (Épouvantée de l’héritage, 1871), hat dieser scharfsichtige Beobachter französischer Verhältnisse die Granden der Politik und Gesellschaft auf das ihnen angemessene Maß der Lächerlichkeit zurück geführt, in Zeiten verschärfter Zensur notgedrungen eher allgemein verbleibend und den guten Bürger generisch verspottend, in späten Jahren gerne ins Symbolische, Allegorische ausgreifend, zu anderen Zeiten sehr gradlinig, persönlich, zornig.

Das hat Folgen: als er unter dem Regime des Bügerkönigs eben diesen Louis Philippe aufs Korn nimmt, bringt ihm das einige Monate Haft im Gefängis Sainte-Pélagie ein. Andererseits hat er sich mit der Zeichnung dieses Königs als Birne (Les poires, 1831) postum unsterbliche Verdienste um die politische Karikatur im Deutschland meiner Jugend erworben, als ich seinerzeit einen Kanzler hatte, der diesem Kernobst wie jenem Bürgerkönig physiologisch sehr verwandt war.

In der Rue Transnonain

Das eindrucksvollste Blatt der Ausstellung – und Vorbild gebend für das Werk von Käthe Kollwitz – ist sicher
Rue Transnonain, le 15 Avril 1834. Das ist eher untypisch für Daumiers lithographisches Werk, weit jenseits, oder vielleicht besser diesseits jeder Karikatur: Die fast nüchtern-realistische und gerade deshalb umso wirksamere Bestandsaufnahme des Terrors zeigt die Opfer eines Massakers, die Leichen einer Familie in deren Wohnung an der Pariser Rue Transnonain. Den Truppen des Königs war das Gemetzel im April 1834 ein geeignetes Mittel, Arbeiterunruhen per Exempel niederzuschlagen. Mit gerechterem Zorn und größerer Meisterschaft kann man kaum zeichnen.

Der kleine Katalog zur Ausstellung, im Oktavformat, wird für 9,80 Euro verschenkt, taugt aber auch nicht für mehr: Abbildungen von einem Drittel der Exponate in gerademal Postkartengröße und ein recycelter Essay aus den 70er Jahren, der erstaunlich weit vorbei geht an den ausgestellten Werken, mehr leider nicht. Da muss man schon selber gucken gehen.

Honoré Daumier. Provocation & Finesse. Lithographien und Skulpturen. K: Thomas Gädeke. Köln, Käthe Kollwitz Museum, 23. Januar – 5. April 2009. München, Museum Villa Stuck, 23. April – 28. Juni 2009.