Kulturraum NRW


KölnSkulptur #8 – Neugestaltung des Kölner Skulpturenparks

„26 dead iPhones“

Seit Mitte Juni 2015 und noch bis Juni 2017 ist die 8. Neueinrichtung des Skulpturen­parks im Norden der Kölner Neustadt zu sehen. Die KölnSkulptur #8 zeigt sieben neue Werke u.a. von Santiago Sierra, Matt Mullican und Tom Burr.

Ulrich Rückriem, Granit Bleu de Vire, gespalten, 1982. Vierteilig, Dauerleihgabe Michael und Eleonore Stoffel Stiftung © Stiftung Skulpturenpark Köln, 2015, Foto: Fotografie Axel Schneider, FrankfurtUlrich Rückriem, Granit Bleu de Vire, gespalten, 1982. Vierteilig, Dauerleihgabe Michael und Eleonore Stoffel Stiftung © Stiftung Skulpturenpark Köln, 2015, Foto: Fotografie Axel Schneider, Frankfurt. Eingeklemmt zwischen Riehler Straße, Konrad-Adenauer-Ufer und der Rampe der Zoobrücke liegt das kleine Areal, das seit 1997, auf Privatinitiative des Sammler­ehepaares Stoffel hin, als Skulpturenpark öffentlich zugänglich ist. Zunächst alle drei, jetzt alle zwei Jahre wird der Park neu eingerichtet, kommen neue Arbeiten hinzu, was mittlerweile auf dem nur rund 40.000 m² großen Gelände ein ziemliches Gedränge gibt.

Die achte Auflage ist kuratiert vom Leiter des Kunsthaus Bregenz, Thomas D. Trummer. Neu hinzu gekommen sind Arbeiten von sieben Künstlern, darunter Schwergewichte des internationalen Kunstmarktes wie Santiago Sierra und Matt Mullican. Fünf der Arbeiten sind Auftragswerke, die eigens für den Skulpturenpark hergestellt wurden.

Die Kaaba der Werktätigen und die Gebetskette des sozialen Protests

Der spanische Konzeptkünstler Santiago Sierra (*1966, lebt in Mexiko) hat seinen 4m³ mächtigen Kubus aus schwarz gestrichenem Sichtbeton in den Park versetzen lassen, darauf steht in Metallettern 583 Stunden Arbeit, die Zeit, die es gebraucht haben soll, den Würfel zu bauen, zu transportieren und zu installieren. Man kann das als eine Art nüchtern-ungeschmückte Kaaba des Werktätigen nehmen. Sierra hat in der Rheinprovinz einiges Renomée als grenzwertiger Provokationshase, seit seiner Kunstaktion 2006 in der ehemaligen Synagoge von Stommel, als er mittels Abgasen von sechs PKWs eine Gaskammer evozierte. Daran gemessen ist seine Arbeit im Kölner Skulpturenpark deutlich konsensfähiger.

Santiago Sierra, 583 Stunden Arbeit, Skulpturenpark Köln, Mai 2015. Sichtbeton, schwarze Farbe, Metallbuchstaben. Courtesy Galerie Thomas Zander, Köln © Stiftung Skulpturenpark Köln, 2015, VG Bild-Kunst, Bonn, 2015. Foto: jvfSantiago Sierra, 583 Stunden Arbeit, Skulpturenpark Köln, Mai 2015. Sichtbeton, schwarze Farbe, Metallbuchstaben. Courtesy Galerie Thomas Zander, Köln © Stiftung Skulpturenpark Köln, 2015, VG Bild-Kunst, Bonn, 2015. Foto: jvf.

Das 2006 gegründete Kunstkollektiv Slavs and Tatars, deren Mitglieder es vorziehen anonym zu bleiben, will mit AÂ AÂ AÂ UR, einer aus der Rasenfläche aufbrechenden, monumentalen Gebetskette aus halbtransparentem Polyesterharz und Stahl, die Nachhaltigkeit religiöser Rituale als Muster und ggf. Antrieb sozialen Protests erkunden.

Die Ordnung der Symbole und die Sprache der Gewalt

Amalia Ulman, Stock Images of War (Hospital), Juni 2015. Aluminium. Amalia Ulman, James Fuentes Gallery, New York © Stiftung Skulpturenpark Köln, 2015, Foto: Fotografie Axel Schneider, FrankfurtAmalia Ulman, Stock Images of War (Hospital), Juni 2015. Aluminium. Amalia Ulman, James Fuentes Gallery, New York © Stiftung Skulpturenpark Köln, 2015, Foto: Fotografie Axel Schneider, Frankfurt. Matt Mullican (*1951 in Santa Monica, lebt in NYC und Berlin) verfolgt im Bild­programm auf der Fläche zweier Sitzbänke, die auf den Rasen gestellt sind, das Projekt einer Kartographie seiner privat­mythologischen Weltordnung: 5 Worlds, 12 Benches. Geometrische Strukturen, symbolisch aufgeladene Farbflächen und Pikto­gramme, die für die vier Elemente und die acht Künste stehen – Das kann man einfach dekorativ finden, die Bänke zum Ausruhen nutzen, mit Panoramablick auf die Parklandschaft, oder sich an die Entschlüsselung des esoterischen Codes machen.

Weniger rätselhaft, aber von beklemmender Eindrücklichkeit ist die Installation der jungen Multimediakünstlerin Amalia Ulman (*1989 in Buenos Aires, lebt in LA und Gijón): Stock Images of War (Hospital). Ein aus Aluminium gedrehter, überlebens­großer Rollstuhl ist in den Silo eingelassen, in den man über eine verwitterte Holztreppe hinab steigt. Dazu hallt aus zwei Lautsprechern ein 2½ Minuten langer Loop, Schüsse, der Soundtrack der Gewalt, die Stimme der Künstlerin, „We don’t need no water — let the motherfucker burn“.

Grenzen, Zäune, Gräben und Ruderalgewächse

Lois Weinberger (*1947 in Stams, lebt in Gars und Wien) hat von einem Bagger eine meterbreite Spur durch den Park ziehen lassen, der Aushub ist am Ende der Strecke aufgehäuft. Weinberger will die sich ansiedelnden Ruderalgewächse, gemeinhin als Unkraut diffamiert, als Metapher für Migrationsprozesse und menschliche Flüchtlingsschicksale verstanden wissen.

Lois Weinberger, Spur, 2015. Erde, Pflanzen. Courtesy of Lois Weinberger © Stiftung Skulpturenpark Köln, 2015. Foto: jvfLois Weinberger, Spur, 2015. Erde, Pflanzen. Courtesy of Lois Weinberger © Stiftung Skulpturenpark Köln, 2015. Foto: jvf.

Edith Dekyndt (*1960 in Ypern, lebt in Tournai und Berlin) hat unterdessen den Zaun und die Gittertore an den Eingängen zum Park mit Kupferblättern versehen, die zunächst einen irgendwie royalen Glanz machen, mit der Zeit aber Grünspan ansetzen werden: The Fences.

Tom Burr: No Access

Das spektakulärste neue Stück ist aber Tom Burrs No Access. Burr (*1963 in New Haven, lebt in New York und Connecticut) stellt ein Labyrinth von 26 Stellwänden aus geschwärztem und poliertem Edelstahl auf den Rasen (je vielleicht 1×2 Meter groß). Die Park­landschaft, benachbarte Skulpturen, der Betrachter, das Werk selbst werden in multiplen Perspektiven gespiegelt und verzerrt.

Tom Burr, No Access, 2015. Edelstahl, geschwärzt, poliert, Alucobond, Aluminium. Courtesy of the artist, Galerie Neu, Berlin, Bortolami Gallery, New York © Stiftung Skulpturenpark Köln, 2015. Foto: jvfTom Burr, No Access, 2015. Edelstahl, geschwärzt, poliert, Alucobond, Aluminium. Courtesy of the artist, Galerie Neu, Berlin, Bortolami Gallery, New York © Stiftung Skulpturenpark Köln, 2015. Foto: jvf.

Ausgangs­punkt der Konzeption sei das frühneuzeitliche Gadget der „Claude-Gläser“ gewesen (benannt nach dem französischen Landschaftsmaler Claude Lorrain): Getönte, konvexe Handspiegel, mit denen Maler und Touristen des 17. und 18. Jahrhunderts Landschaft ästhetisch handhabbar machten. Aber natürlich erinnern die Spiegelflächen auch an die Frontfläche von Smartphones, dem heute zentralen Mittel der Weltwahrnehmung (von „26 dead iPhones“ spricht Burr).

Besuch lohnt

Die Qualität der neu hinzugekommenen Skulpturen und Installationen überzeugt nicht uneingeschränkt und das kuratorische Konzept der achten Neuinszenierung des Parks wird nicht recht fassbar: Die „Spannung zwischen Urbanität und Idylle“ sowie die Idee der „Einfassung bzw. ihres Gegenteils, der Ausgrenzung“ liege der Neueinrichtung zu Grunde, so heißt es. Egal, das Gesamtensemble von nunmehr 45 Werken von 41 Künstlern und Kollektiven (darunter Rosemarie Trockel, Fischli & Weiss, Dan Graham, Jenny Holzer, Thomas Schütte, Heimo Zobernig, Jimmie Durham, Ulrich Rückriem und Anish Kapoor), lohnt sehr den Besuch, der Eintritt ist zudem frei.

Der Katalog zur KölnSkulptur #8 soll, so höre ich von der Parkaufsicht, erst Mitte August erscheinen. Bis dahin helfen Erläuterungen weiter, die via QR-Codes auf den Ausstellungsbeschilderungen abgerufen werden können.

KölnSkulptur #8. K: Thomas D. Trummer. Köln, Skulpturenpark, Juni 2015 bis Juni 2017.