Kulturraum NRW


Frank Auerbach – Ausstellung im Kunstmuseum Bonn

„Ein neuartiges Monster“

Noch bis Mitte September 2015 zeigt das Kunstmuseum Bonn eine sehr starke Retrospektive auf das Werk des britischen Malers Frank Auerbach: Großartige, expressiv-figurative Malerei aus der „School of London“.

Frank Auerbach, E.O.W. Nude, 1953-4. Öl auf Leinwand, 50,8 x 76,8 cm. Tate © Frank AuerbachFrank Auerbach, E.O.W. Nude, 1953-4. Öl auf Leinwand, 50,8 x 76,8 cm. Tate © Frank Auerbach.

Über siebzig Arbeiten aus den Jahren 1953 bis 2014 versammelt die Schau: Einige Zeichnungen, in der Mehrzahl Ölarbeiten, ein begrenztes Inventar an Sujets, Portraits von meist denselben Modellen, Stadtlandschaften aus dem unmittelbaren Umfeld in Nordlondon, wo Auerbach seit 60 Jahren im gleichen Atelier arbeitet, Interieurs aus ebendem­selben Atelier. Es ist eine Malerei, die etwas Obsessives hat, der Versuch der Perfektion durch intime Kenntnis des Objekts. Auerbach sagt:

Was ich zu machen versuche, ist ein wahnsinnig gutes, eigenständiges, stimmiges Bild, das man so noch nicht gesehen hat. […] Die Sujets […] sind nicht um ihrer selbst willen da, sind nicht da aus sentimentalen Gründen. Sie sind dafür da, diesem neuen, eigenständigen Bild, das man zu machen versucht, Futter zu geben, einem Bild, das in die Welt hinaus geht wie ein neuartiges Monster.

Frank Auerbach, E.O.W. half-length nude, 1958. Privatsammlung, Courtesy of Eykyn Maclean, LP © Frank Auerbach. Foto / Photo: Douglas M. Parker StudioFrank Auerbach, E.O.W. half-length nude, 1958. Privatsammlung, Courtesy of Eykyn Maclean, LP © Frank Auerbach. Foto / Photo: Douglas M. Parker Studio.Die Zusammenstellung der Monster für diese Retrospektive ist von Auerbach selbst: Sechs Sektionen, in grob chrono­logischer Ordnung. Eine siebte ist eine Art Reprise, zusammen gestellt von der Kuratorin und seinem langjährigem Modell, Catherine Lampert. Zu viel sortierender Zugriff widerstrebt Auerbach:

Meine Hoffnung ist, dass die Arbeiten nicht zu relativ betrachtet werden – dass heißt, nicht werkgeschichtlich, stilistisch oder nach Sujet oder Kontext – sondern dass ein jedes als absolut betrachtet wird, für sich funktioniert (oder auch nicht funktioniert).

Das Monster ist am spektakulärsten unter­wegs mit den Werken aus den 1950er und 1960er Jahren, in der ersten und zweiten Sektion. Auerbach ist berühmt für diese frühen Bilder, für seinen Extre­mismus des Impasto, angehäufte Farbschichten, die den Bildern eine ganz ungeheure Plastizität, fast skulpturale Qualität verschaffen. Man muss sich Zeit nehmen für diese Bilder, sie aus verschiedenen Perspektiven erkunden, von ganz nah ihre Textur, von ferne (ruhig zehnfünfzehn Meter zurück treten) ihre Gesamtwirkung erfahren. Sie sind großartig.

Frank Auerbach, The Origin of the Great Bear, 1967-8. Öl auf Holz, 114,6 x 140,2 cm. Tate © Frank AuerbachFrank Auerbach, The Origin of the Great Bear, 1967-8. Öl auf Holz, 114,6 x 140,2 cm. Tate © Frank Auerbach.

Fank Auerbach wurde 1931 in Berlin geboren. Sein älterer Cousin, Marcel Reich-Ranicki, hat bei den Auerbachs Geld mit Babysitting verdient, Frank sei ein „vorbildliches Knäblein“ gewesen, das brav die Abende durchgeschlafen habe. 1939 wird das Kind nach England gerettet. Seine Eltern werden 1943 in Auschwitz ermordet. Der junge Frank wächst im ländlichen England auf, in Shropshire und Kent. 1947 geht er nach London, schauspielert und studiert Kunst, zuletzt am Royal College of Art, Abschluss mit Auszeichnung, erste Einzel­ausstellung 1956.

Frank Auerbach, Self-portrait 1958. Daniel Katz Gallery, London © Frank Auerbach. Photo: Prudence Cumings Associates LtdFrank Auerbach, Self-portrait 1958. Daniel Katz Gallery, London © Frank Auerbach. Photo: Prudence Cumings Associates Ltd.Seit Mitte der 1960er Jahre werden seine Werke auch im Ausland ausgestellt, 1986 sammelt er den Goldenen Löwen der 42. Biennale in Venedig ein (zusammen mit Sigmar Polke). Er wird heute – neben Francis Bacon und Lucien Freud – zu den wichtigsten Malern der „School of London“ gezählt.

Der Katalog umfasst 174 Seiten, ist in englischer Sprache, aber mit einem kleinen Booklet versehen, das den einleitenden, etwas gefühligen Essay von T.J. Clark ins Deutsche bringt. Die Abbildungen sind eher mittelprächtig und geben die Farben und gerade die Plastizität der Malerei Auer­bachs nur unvollkommen wieder. Dafür ist das Ding aber auch sehr erschwinglich, ich glaube, 25 Euro waren das.

Die Ausstellung ist eine Kooperation mit der Londoner Tate Britain, wo die Schau im Herbst/Winter 2015/16 zu sehen ist. Vier Bilder stammen aus der Sammlung der Tate, die meisten sind aber in privater Hand.

Frank Auerbach. K: Catherine Lampert. Bonn, Kunstmuseum, 4. Juni – 13. September 2015 / London, Tate Britain, 9. Oktober 2015 – 13. März 2016.