Kulturraum NRW


Die spannendsten Nebenausstellungen – Biennale Venedig 2015

Gli Eventi Collaterali

Skulpturen von Matta, ein Schrein für Mädchen, religiöse Kunst auf San Giorgio, ein 3D-Film aus den Wäldern Neufundlands und eine Ausstellung der Tagore Stiftung. Neben der Zentralausstellung und den nationalen Beiträgen zur Biennale Venedig: Was lohnt einen Abstecher?

Es sind heuer 44 Projekte, die den Stempel der Biennale als eventi collaterali, als Nebenveranstaltung der 56. Internationalen Kunstausstellung in Venedig erhalten haben (von vermutlich deutlich mehr als 100 Ausstellungen, die zeitgleich zur Biennale in Venedig laufen). Die meisten Biennale­besucher werden nicht die Zeit finden, sich in diese Ausstellungen am Rande zu versenken. Fünf Hinweise auf Sachen, die man trotzdem nicht verpassen sollte.

Skulpturen von Matta im Giardino di Palazzo Soranzo Cappello

Giardino di Palazzo Soranzo Cappello. Roberto Sebastian Matta: Sculture. Evento Collaterale della 56. Esposizione Internazionale d'Arte – la Biennale di Venezia. Foto: jvfGiardino di Palazzo Soranzo Cappello. Roberto Sebastian Matta: Sculture. Evento Collaterale della 56. Esposizione Internazionale d’Arte – la Biennale di Venezia. Foto: jvf

Keinesfalls versäumen sollte man die Ausstellung von 42 Bronzeskulpturen des chilenischen Surrealisten Roberto Sebastian Matta (1911-2002) im wunderbaren Giardino di Palazzo Soranzo Cappello, unweit des Bahnhofs von Venedig. Die Plastiken stammen vornehmlich aus den 1990er Jahren, sind allerdings in der Mehrzahl nur als postume Güsse vor Ort.

Aber selbst wenn man den hübschen, an Max Ernst erinnernden, mythologischen Figuren und gehörnten Sitzgelegenheiten Mattas nichts abgewinnen könnte: Der Garten alleine ist schon einen Besuch wert (und wenn ich recht verstehe, ist er als Privatbesitz nur während dieser Ausstellung zugänglich). Roberto Sebastian Matta. Sculture ist nur bis 15. Oktober 2015 geöffnet, schönes Wetter ist indes sowieso hilfreich bei diesem Parkbesuch. [S. Croce, 26]

Patricia Cronins Schrein für Mädchen

Patricia Cronin, Shrine for Girls, Venice. Installation View. La Biennale di Venezia - 56th International Art Exhibition. Photo : Mark BlowerPatricia Cronin, Shrine for Girls, Venice. Installation View. La Biennale di Venezia – 56th International Art Exhibition. Photo : Mark Blower

Direkt um die Ecke vom Markusplatz hat sich die New Yorker Konzeptkünstlerin Patricia Cronin (*1963 in Beverly, MA) die aufgelassene Kapelle Chiesa di San Gallo angemietet für ihre Installation Shrine for Girls. Auf den drei Altären sind Kleider aufgehäuft, bunte Saris, Hidschabs, Kittel. Beigestellte kleine Fotografien stellen den Kontext her: Vergewaltigungs- und Mordopfer in Indien, entführte Schulkinder in Nigeria, Zwangsarbeiterinnen in Magdalenenheimen in Europa und Amerika. Sicher konzeptionell eine eher wohlfeile Installation, im sakralen Raum aber von sehr bewegenden Wirkung. [San Marco, 25]

Jaume Plensa auf San Giorgio

Jaume Plensa: Lou, Olivia, Duna, Sanna II, Laura III, 2015, Alabaster, Dimensions variable. Installation view from Together, San Giorgio Maggiore (2015). Foto: Jonty WildeJaume Plensa: Lou, Olivia, Duna, Sanna II, Laura III, 2015, Alabaster, Dimensions variable. Installation view from Together, San Giorgio Maggiore (2015). Foto: Jonty Wilde.

Auf der Isola San Giorgio stellt der spanische Künstler Jaume Plensa (*1955) auf Einladung der Abtei San Giorgio einen ebenso monumentalen wie luziden Kopf ins Mittelschiff der Basilika, eine segnende Hand schwebt ihr vom Altar aus entgegen.

Das ist hübsch gemacht und selbst für einen fundamentalistischen Atheisten irgendwie anrührend, noch hübscher allerdings die fünf großen Alabasterköpfe, die in der Officina dell’Arte Spirituale, einmal linksrum um die Basilika, aufgereiht sind: Jaume Plensa: Together. San Giorgio ist mit der Linie 2 innert 5-10 Minuten von den Haltestellen San Zaccharia oder San Marco aus zu erreichen. [San Giorgio, 18]

Neufundland und Labrador in Venedig

Anne Troake. OutSideIn, 2014 (in production). Digital image from film shoot with Bill Coleman and Carol Prieur, August 2013. Photography: Christopher DarlingtonAnne Troake. OutSideIn, 2014 (in production). Digital image from film shoot with Bill Coleman and Carol Prieur, August 2013. Photography: Christopher Darlington.

In der Galleria Ca’ Rezzonico – günstig gelegen direkt an der gleichnamigen Vaporetto Haltestelle – hat die kanadische Terra Nova Art Foundation eine Schau mit Arbeiten von zwei Künstlern aus Neufundland und Labrador eingerichtet: Under the Surface.

Jordan Bennett informiert in seiner Multimedia-Installation über die Kunst des Eisfischens, inklusive Anleitung zum Bau eines ice shanty und Kochanweisungen (Ice Fishing / How to Build an Ice Fishing Shack, 2014).

Anne Troake hat einen starken 3D-Film mitgebracht: OutSideIn, 2014. Zwei Menschen, die Tänzerin Carol Prieur und der Tänzer Bill Coleman, graben und wühlen sich, kriechen und tanzen durch Wald- und Wiesenlandschaften im äußersten Osten Kanadas. Sehr schöne, staunend machende Bilder zwischen Intimität und Monumentalität. [Dorsoduro, 40]

Frontiers Reimagined

Hiroshi Senju, Ryujin II (installation, left), 2014, acrylic and fluorescent pigments on Japanese mulberry paper, 7.9 x 37.4 feet/2.4 x 11 meters. Ryujin I (installation, right), 2014, acrylic and fluorescent pigments on Japanese mulberry paper, 7.9 x 37.4 feet/2.4 x 11 meters. © 2015 Nacasa & Partners Inc., image courtesy of the artistHiroshi Senju, Ryujin II (installation, left), 2014, acrylic and fluorescent pigments on Japanese mulberry paper, 7.9 x 37.4 feet/2.4 x 11 meters. Ryujin I (installation, right), 2014, acrylic and fluorescent pigments on Japanese mulberry paper, 7.9 x 37.4 feet/2.4 x 11 meters. © 2015 Nacasa & Partners Inc., image courtesy of the artist.

Im Palazzo Grimani hat die Tagore Foundation International eine Ausstellung unter dem Titel Frontiers Reimagined eingerichtet mit mehr als 65 Arbeiten von 44 Künstlern aus 25 Ländern, einige bekannte Namen darunter: Robert Rauschenberg, Christo, Vik Muniz, Sebastião Salgado. Gut die Hälfte der ausgestellten Künstler sind im Vertrieb des Stiftungsgründers und Galeristen und Co-Kurators der Schau, Sundaram Tagore. Aber was soll’s.

Die Ausstellung wolle zeigen, welcher „intellektuelle und ästhetische Reichtum der heutigen globalisierten Kunstwelt entspringen kann, wenn Künstler sich am interkulturellen Dialog beteiligen“. Die Schau sei daher auch ganz im Sinne von Tagores Ur-Großonkel Rabindranath Tagore, dem ersten nicht-europäischen Literatur­nobelpreis­träger und Vermittler zwischen den Welten.

Zu sehen gibt es u.a. Rollstühle aus Rasierklingen gefertigt von Tayeba Begum Lipi (*1969 in Gaibandha): Agony, 2015. Morgan Wong (*1984 in Hong Kong) hat einen 1¼-stündigen Film gedreht, in dem er kleine, selbstklebende rote Flaggen von einem Blatt Papier zupft, angeblich 50.000 Stück (aber dann müsste der Film, grob gerechnet, 8 Stunden lang sein – The Remnant of My Volition, 2014). Großartig. Spektakulär ist eine Rauminstallation von Hiroshi Senju (*1958), der fluoreszierende Substanzen auf japanische Maulbeerbaum­papier­wände aufgetragen hat, die als Spalier einen abgedunkelten Raum ins Blaulicht tunken. [Castello, 9]

56. Esposizione Internazionale d’Arte – la Biennale di Venezia: All the World’s Futures. Venedig, 9. Mai – 22. November 2015.